Steuermilliarden für die Energiewende?

Oder – hoffen auf den Öko Bush.

Die Preise für fossile Energieträger steigen von Jahr zu Jahr an. Jeder weiß, dass die Ressourcen an Gas, Öl und Uran endlich sind und dass der Zenit der Förderung bereits überschritten ist. In einem freien Markt muss der Preis knapper werdender Produkte bei steigender Nachfrage stetig anwachsen. Das ist die Stunde der Solarenergie, sollte man meinen. Und tatsächlich: Sogar George W. Bush entdeckt dieser Tage sein Herz für die Sonnenkraft.

Warum tankt die Menschheit noch immer Öl statt Sonne?

Wie schon so häufig starren alle Akteure auf die Politiker. Doch warum siegt die Vernunft nicht von selbst? Wieder mal soll der Staat einspringen und mit Milliarden-Subventionen eine Energiewende ermöglichen. Weltweit hat die Ideologie des Neoliberalismus zum Abbau staatlicher Sozialstrukturen geführt. Energiekonzerne haben gigantische Gewinne privatisiert. Und dennoch hält das Kapital ungeniert die Hand auf, wenn es um die Finanzierung der zukünftigen Energieversorgung geht. Was hat Geld mit Energie und Ökologie zu tun? Wieso setzt die Menschheit noch immer auf Wachstum beim Gas- Öl- und Kohleverbrauch? Warum fehlt es trotz wuchernder Geldvermögen an einer ausreichenden Investitionsbereitschaft in zukunftsfähige Energiekonzepte? Wie ist es zu erklären, dass sich umweltschonende Projekte nach wie vor nicht „lohnen“? Wieso haben Biogas- und Sonnenenergieanlagen, trotz ihrer geringen Betriebskosten, bei der Kalkulation nur selten eine Chance gegen die klassischen Verbrennungsanlagen?

Die Wettbewerbsnachteile regenerativer Energiequellen sind Folgen unseres fehlerhaften Geldsystems. Die Zinslasten sind die direkte Ursache dafür, dass es lukrativer ist Öl zu verbrennen, als Solarzellen auf jedes Dach zu setzen.

Kohle-, Öl- und Urankraftwerke sind, auch Dank Jahrzehnte langer Subventionierung, technologisch weitgehend ausgereift. Für alternative Anlagen sind daher entsprechend höhere Investitionen notwendig. Die Kapitalkosten – sprich die Verzinsung – dieser höheren Anfangsinvestitionen schlagen in der Gesamtkalkulation stärker zu Buche, als die über die Jahre verteilt anfallenden Kosten für Brennmaterial.

Kein Null-Energie-Haus ohne Null-Zins-Niveau

Je höher die anfänglichen Investitionskosten eines Sonnenkraftwerks im Verhältnis zu einem konventionellen Verbrennungskraftwerk mit entsprechender Leistung sind, desto geringer ist das relative Gewicht der Betriebskosten für die Rentabilität und die Wettbewerbsfähigkeit der jeweiligen Energieart. Die Zinsen fallen an, schon lange bevor der erste Strom fließt und belasten die Bilanz, bis die Schuld getilgt werden kann. Das kann bei neuen Technologien mitunter Jahrzehnte dauern. Die Gasrechnung belastet den Produzenten zeitnah zu den Verkaufserlösen und fällt daher kaum ins Gewicht.

Selbst geringe Zinskosten behindern den Einsatz nachhaltiger Energieträger und verhindern energiesparende Investitionen. Vor 10 Jahren errichtete eine Wohnungsbaufirma ein »Null-Heizenergie-Haus«, das etwa um 100.000 € teurer war als ein vergleichbares Haus herkömmlicher Bauweise. Werden steigende Energiepreise zugrunde gelegt, könnte sich ein Großteil dieser Investition nach 70 bis 80 Jahren durch die Einsparung von Brennstoff amortisieren, schrieb die Presse damals. Doch welche Familie hat einen so langen Atem? Weil die zusätzlichen Baukosten auf dem Kapitalmarkt aufgenommen und teuer verzinst werden müssen, rechnen sich derartige Maßnahmen für den Bauträger eben nicht. Bis die Kredite für Bau- und Grundstückskosten abbezahlt sind, vergehen in der Regel 25 bis 30 Jahre. Schon bei einem subventionierten Zinssatz von drei Prozent werden so aus den 100.000 € Mehrkosten 200.000 € zusätzliche Belastung. Die ursprünglichen Mehrkosten verdoppeln sich durch Zins und Zinseszins bereits, bevor man beginnt sie abzuzahlen. Wenn die letzte Rate fällig wird, haben sich die Mehrkosten mitunter auf das Dreifache gesteigert. Dies ist der Grund dafür, dass die monatliche Gas- oder Ölrechnung auch heute meist günstiger ist als Investitionen zur Energieeinsparung.

Fazit: Höhere Anfangsinvestitionen wirken sich durch die Zinslasten negativ auf die Wirtschaftlichkeit aus. Zinskosten beeinflussen viele Entscheidungen zugunsten zugekaufter Energieträger. Dies trifft gleichermaßen für innovative Techniken, wie für Energie einsparende Maßnahmen zu. Selbst das gegenwärtig niedrige Zinsniveau behindert den technologischen Fortschritt. Trotz niedriger Notenbankzinssätze bleibt Kapital für Innovationen teuer. Erst wenn die Kapitalkosten gegen Null gehen, kommt der Kostenvorteil von Solaranlagen, Wärmedämmung u.A. gegenüber dem Zukauf und der Verbrennung fossiler Energieträger zum Tragen. Erst dann setzt sich die Vernunft am Markt durch.

Null-Zins-Niveau fördert umweltfreundliche Investitionen

Anders als bei Waren fällt der Preis des Geldes, der Zins, selbst bei einer überproportional wachsenden Geldmenge nicht unter real zwei Prozent. Für Investoren ergibt sich daraus eine Belastung von mindestens vier bis sechs Prozent. Diese Eigenschaft des Geldkapitals verhindert somit einen marktkonformen Übergang zu ressourcenschonenden Entwicklungen. Mit einem Zinsniveau am Kapitalmarkt, das gegen den Wert Null tendiert, fallen die Zinserträge und mit ihnen die Zinslasten. Die Marktchancen neuer, kapitalaufwendiger Innovationen gegenüber etablierten Techniken verbessern sich dadurch entscheidend. Ökologische, soziale und kulturelle Investitionen mit minimalen Renditen werden rentabel und schaffen so betriebswirtschaftliche Voraussetzungen für energiesparende Investitionen und neue Arbeitsplätze.

Ein Null-Zins-Niveau bietet wesentliche Effekte für eine ökologische Wende. Die Zunahme der Geldvermögen besteht heute bereits zu 4/5tel aus Zinsgutschriften. Dies sind immerhin täglich ca. 950 Millionen €, die ständig rentabel investiert werden müssen. Der Staat steht so unter Druck, kapitalintensive Projekte zu subventionieren oder anderweitig zu fördern. Hiervon profitieren überwiegend große, kapitalstarke Konzerne. Produktion und Marktentwicklung werden im geringen Maße vom tatsächlichen Bedarf, stärker aber von den Renditeerwartungen des Kapitals bestimmt. Billiges Kapital schafft Spielraum für vielfältige Innovationen, da es kleinen Betrieben den Marktzugang ermöglicht.

Die Fähigkeit des Geldkapitals, sich dem Kreditmarkt zu entziehen, bewirkt, dass das Zinsniveau nicht einer wachsenden Kapitalmenge entsprechend angemessen sinkt. Dies kann durch eine konstruktive Umlaufsicherung beeinflusst werden. Wenn Geld unter Angebotszwang gerät, ist das Spekulieren auf steigende Zinssätze nicht mehr lukrativ. So führt ein reales Überangebot dazu, dass ausreichend Investitionskapital zur Verfügung steht, auch bei um den Wert Null pendelnden Zinssätzen.

Die Hoffnung, Bush, Merkel oder irgendwelche anderen Politiker könnten mit Steuergeldern die ökologische Wende herbeiführen ist fatal. Ein verteilungsneutrales Geld, das für alle vernünftigen Investitionen zu Verfügung steht, muss das Ziel der Währungspolitik sein. Niedrige Zinssätze und ein Ende der Inflation sind durch eine konstruktive Geldumlaufsicherung möglich. Die weltweite Umweltzerstörung zwingt früher oder später dazu, sich mit einem wachstumsneutralen und innovationsfreundlichem Geldsystem zu beschäftigen. Erst billiges Geld macht innovative Investitionen rentabel und hilft, Energie zu sparen und den Planeten zu entlasten.

Klaus Popp – April, 2006