Fit statt fett

Fit bleiben, statt fett essen ist der Appell der Gesundheitspolitiker an die Bevölkerung. Die Bürger sollen sich mehr bewegen und gesünder ernähren. Dies ist ein begrüßenswerter Wunsch. Als Ansatz für ernst gemeinte Politik taugt er nicht. Politik muss ökonomische Voraussetzungen für eine gesunde Ernährung schaffen. Der Konsument weiß dann selber, was gut und gesund für ihn ist. (Juli 2007)

Es hat sich bis ins Kabinett herumgesprochen, dass wir zu viel und zu fett essen. Für zunehmend mehr Kinder (und nicht nur Kinder) sind Obst, Gemüse und Mineralwasser indiskutabel. Cola, Nutella, Big-Mac und Fruchtzwerge sind gefragt, und natürlich die Süßigkeiten, mit denen sie via Fernsehen aufwachsen.

Eltern und Erzieher sollen nun den lieben Kleinen vermitteln, dass all die leckeren Dinge aus der Werbung schädlich sind, weil sie zu viel Zucker oder Fett enthalten. Die Pädagogen sollen sich als Spaßbremse engagieren, während Werbeagenturen mit Millionen Aufwand Fun- und Actionkampagnen entwerfen, um den – Verzeihung – Industriemüll in die Bäuche unserer Kinder zu bekommen.
Seit Jahrzehnten werden wir Verbraucher bedrängt und umschmeichelt, all das zu tun, was uns selber und unserer Umwelt offensichtlich schadet: rauchen, Alkoholkonsum, viel essen, fernsehen, so oft wie möglich in den Urlaub fliegen und natürlich ein möglichst großes und schnelles Auto fahren. Wir sollen fröhlich konsumieren, dabei mit sinkenden Einkommen auskommen und alle Verlockungen hinterfragen und durchschauen.

Warum immer fetter?

Warum das Angebot immer größer, ungesünder und fragwürdiger wird, hinterfragt weder diese noch irgendeine andere Kampagne. Wir erwarten von unseren Konzernen, dass sie für ordentlich Wirtschaftswachstum sorgen. Drei Prozent Wachstum, das ist das Minimum für eine gesunde Branche. Ein Konzern darf da schon mal über 10 bis 15 Prozent jubeln. Die Profite sollen steigen, die Aktienkurse auch, und nach Möglichkeit sollen noch möglichst viele Mitarbeiter beschäftigt werden, damit sie als Konsumenten für Umsatz sorgen können.

Drei Prozent Wachstum bedeuten eine Verdoppelung der Ausgangsgröße in 24 Jahren. Für ein Management besteht die Herausforderung darin, Gewinn und Umsatz zu verdoppeln, obwohl die Bevölkerung – zumindest zahlenmäßig – nicht zunimmt. Dies kann man durch Expansion ins Ausland erreichen. Doch auch dort sind Erzeuger, die ihrerseits Zuwachs brauchen. Man kann Konkurrenten verdrängen oder aufkaufen, wodurch jedoch kein gesamtwirtschaftliches Wachstum erzeugt wird. Außerdem sehen Politiker und Bürger die Monopolisierung der Märkte zunehmend kritisch.
Ein weiterer Ausweg besteht darin, mit immer größeren Produktionseinheiten immer billigere Produkte zu erzeugen. Hierfür sind Gen-Nahrung, massenweise Zuckereinsatz und eine immer effizienter werdende Massentierhaltung hilfreiche Produktionsfaktoren. Da aber auch diese Mittel an Grenzen stoßen, ist es für die Industrie letztendlich entscheidend, das Verbraucherverhalten zu verändern.
„Die Möhre aus dem eigenen Garten ist zwar gesund, aber nur der Schokoriegel erzeugt Wirtschaftswachstum. Deshalb werden wir Verbraucher mit Hilfe der Werbebranche umerzogen.“
Fertiggerichte sind weder gesünder noch billiger als selbst Gekochtes. Der Verlust der Kochkultur ist sicherlich kein Gewinn an Lebensqualität. Ebenso ist die Verführung weg von naturbelassenen Lebensmitteln hin zu industriellen Nahrungsmitteln für den Einzelnen kein Fortschritt. Für die Wachstumsökonomie sind diese Prozesse jedoch unerlässlich.

Profit = kontra fit

Entscheidend für die ungesunde Entwicklung unserer Essgewohnheiten ist die Notwendigkeit, Profite und Umsätze permanent zu steigern. Dies gilt es zu erkennen und zu verändern. Den Unternehmen, Branchen und Märkten muss ein wachstumsneutrales Wirtschaften ermöglicht werden. Hierfür ist ein wachstumsneutrales Geld unverzichtbar. Erst bei einem dauerhaften Null-Zins-Niveau können sich Unternehmen und Märkte entwickeln, ohne permanent Wachstum erzeugen zu müssen.

Liebe Politiker, schafft die ökonomischen Voraussetzungen für eine gesunde und nachhaltige Ernährung. Wenn euch das zu anstrengend sein sollte, beschränkt euch besser darauf, den Kindern ein gutes Vorbild zu sein. Moralische Appelle an Eltern und Erzieher sind gut gemeint, aber eben nicht gut gemacht.

Zitat:

„Aufgabe der Erziehungsberechtigten ist es, ihren Kindern einen positiven Umgang mit dem Medium Fernsehen zu vermitteln. Missbrauchen sie den Fernseher als Babysitter oder überlassen sie ihr Kind widerstandslos den Verführungen der Fernsehmacher, kommen sie ihrer Verantwortung nicht nach. Im schlimmsten Fall wird ihnen eines Tages vorgeworfen, sie hätten bei der Erziehung ihrer Kinder versagt. Die Aufgabe dieser Eltern ist schwierig, denn ihnen stehen Menschen gegenüber, die dieses „Versagen“ mit allen Mitteln provozieren. Wir leisten uns Programmmacher, Werbefachleute und gut bezahlte Spezialisten, deren Aufgabe es ist, Kinder an den Fernseher zu binden. Diese Menschen gelten als erfolgreich, wenn die Einschaltquoten hoch sind und Kinder täglich Stunden vor der Mattscheibe verbringen! Zu den Schattenseiten ihres Jobs gehört, dass Kinder die im Programm erlebte Gewalt in ihr Verhaltensrepertoire aufnehmen und umsetzen. Es wird ihnen jedoch nicht als Versagen ausgelegt, wenn eine Generation heranwächst, in der Gewalt als normales Mittel der Kommunikation betrachtet wird, für die Haben mehr bedeutet als Sein, denen konsumieren wichtiger ist als kommunizieren! Es ist die zwangsläufige Folge ihrer Arbeit. Es gehört zum gesellschaftlichen Auftrag, passives Konsumieren zu fördern.
(Popp, Das Märchen vom guten Zins, Seite 57/58)