Beispiel einer Verleumdungskampagne

Geld für die Feinde des Geldes – Schon wieder ein Antisemitismusskandal bei der Hans-Böckler-Stiftung?

So lautet ein Vorwurf gegen die Hans-Böckler-Stiftung und die INWO im Herbst 2006.

Ein „Offener Brief“ von 22 UnterzeichnerInnen an die HBS vom 10. November 2006 führte dazu, dass die Stiftung eine bereits genehmigte Veranstaltung 4 Tage vor Beginn absagt. Trotz meines Angebotes, jederzeit persönlich für ein Gespräch zur Verfügung zu stehen, beugte man sich dem Druck eines mehr als fragwürdigen „offenen Briefes“. Die Absage erweckte den Eindruck, an den Vorwürfen könnte irgendetwas dran sein und ist daher in hohem Maße ehrverletzend. Die Reihe wurde formal nicht untersagt. Die Veranstalter wurden um eine Verschiebung gebeten, um in einer extra Veranstaltung die Vorwürfe auf die Stichhaltigkeit prüfen zu können. Von Seiten der INWO-Referenten haben wir dem zugestimmt. Leider kam es nie zu dem klärenden Gespräch, weil von den Unterzeichnern des Hetzbriefes keiner bereit war, an dem angesetzten Treffen teil zu nehmen.

Eine schriftliche Stellungnahme zu diesem Vorgang durch die HBS steht bis heute aus. Intern wurde mitgeteilt, dass man den Vorwürfen selbstverständlich keinerlei Bedeutung beimisst. Man könne aber darüber keine Diskussion führen, wenn sich eine Seite der Diskussion entziehe. Um den Ruf der Einrichtung aber nicht zu beschädigen, verzichtet man lieber auf die dringend notwendigen Seminare und Diskussionen.

Die Methoden, mit denen hier vorgegangen wurde sind den Verantwortlichen hinlänglich bekannt. Das Bedrohungspotential ist massiv und kann ernste auch finanzielle Folgen haben. Der bloße Vorwurf des Antisemitismus, der vor allem im Verborgenen, wie eine unsichtbare Giftwolke gegen Personen und Institutionen eingesetzt wird, ist in Deutschland eine vernichtende Waffe. Da es sich bei der Hans-Böckler-Stiftung aber um eine professionell arbeitende Einrichtung handelt, ist es nicht hinzunehmen, dass die Verantwortlichen aufgrund eines derartigen Briefes eine Seminarreihe zunächst verschieben und dann ganz ausfallen lassen.

Eine Stellungnahme von Klaus Popp

14. November 2006

Mit einem offenen Brief unter der Adresse: http://hagalil.com/archiv/2006/11/hbs.htm

begründen die UnterzeichnerInnen, dass es antisemitisch sei, einen Workshop mit Helmut Creutz, Klaus Popp und der INWO zu veranstalten.

Zwei der Forderungen an die Hans-Böckler-Stiftung lauten:

– Kein Geld für die Feinde des Geldes!

– Kein Geld für Antisemiten und Ihre FreundInnen!

Die Anschuldigungen in diesem Text sind unwissenschaftlich, beziehen sich nicht auf die angeklagten Personen und sind stellenweise ziemlich absurd. Ferner wurden die älteren Vorwürfe wiederholt aufgegriffen und widerlegt. Der Streit ist nicht aktuell und kann im Internet nachgelesen werden. Insbesondere dann, wenn man die Autoren persönlich ansprechen kann, lösen sich die Anschuldigungen schnell in Luft auf. Historische Quellen werden dagegen dauerhaft uminterpretiert und falsch dargestellt. Die jahrelange Konfrontation zeigt mir, dass die Verleumdung resistent gegen Fakten ist. Dennoch möchte ich den „offenen Brief“ nicht unkommentiert lassen.

INWO und ich sind keine Feinde des Geldes. Wir betrachten Geld als sinnvolles Hilfsmittel in der Tauschgesellschaft. Kritisch sehen wir, dass die Zinssätze nicht mit der Wachstumsrate absinken und auch bei Marktsättigung nicht dauerhaft um Null Prozent pendeln.

Niemals wurde von mir, Herrn Creutz, oder von INWO ein antisemitisches Argument benutzt. Das Gegenteil ist der Fall. Der nicht ausreichend absinkende Zins ist Folge des technischen Unverständnisses unserer Währung. Die gesellschaftlichen Auswirkungen der monetären Umverteilung werden von Rassisten missbraucht um Feindbilder aufzubauen oder zu schüren.

Zitat „offener Brief“:

„Zudem wird ganz offen Werbung für die Gruppierung Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung gemacht, kurz INWO. Schon der absurde Name “Natürliche Wirtschaftsordnung” fällt dabei auf, ist doch die Welt dadurch gekennzeichnet, dass Menschen sich die Welt herstellend verändern (Hannah Arendt) und nach Siegfried Kracauer ist es Ziel von Intellektuellen, “destruktive Kritik” zu üben.“

Der Name INWO geht tatsächlich auf das Werk von Gesell „Die Natürliche Wirtschaftsordnung“ 1916 zurück. Der Name beschreibt eine Wirtschaftsentwicklung, die nicht dem exponentiellen Gesetzmäßigkeiten des Zinsmechanismus unterworfen ist.

Zitat „offener Brief“:

„ … von der Hans-Böckler Stiftung … zugleich Workshops finanziert werden, welche der antisemitischen Ideologie des “Mammonismus” anhängen, nachdem das Geld respective die Börse und der Zins verantwortlich seien für so gut wie jedes Übel dieser Welt. Der Kern kapitalistischer Gesellschaften – die Lohnarbeit und das Privateigentum an Produktionsmitteln – wird von solchen Ideologen wie den Freiwirtschaftstheoretikern nicht nur nicht angetastet, vielmehr wird er vergöttlicht und ArbeiterInnenrechte werden abgewehrt. Streiks sind gleichsam das Tabu dieser Art von “Wirtschaftswissenschaft”, was in der historischen Tradition der Freiwirtschaftslehre seit Silvio Gesell gründet.“

Dieses Argument widerspricht sich selber. Die Börse und das Geld verantwortlich zu machen „für so gut wie jedes Übel dieser Welt“ , entspricht nicht dem freiwirtschaftlichen Gedankengut. Die Argumentation zeigt das hohe Maß an Unverständnis. Daraus kann man die Notwendigkeit von Gesprächen ableiten, nicht aber die Verhinderung von Seminaren.

Der Vorwurf „Gesell propagierte sozialdarwinistische Menschenzüchtprogramme“ wäre dagegen durchaus ein Punkt, der die Toleranz für einen Diskurs überspannen könnte.

Zitat „offener Brief“:

„ Silvio Gesell (1862–1930) propagierte sozialdarwnistische Menschenzüchtprogramme, wohnte u.a. in der völkisch-esoterischen Eden-Kommune. Er generierte wie andere Ideologen den antisemitischen Topos von guter (=deutscher, produktiver) versus schlechter (=jüdischer, unproduktiver) Arbeit. Gesell hielt 1929 die Grabrede auf seinen Freund Georg Blumenthal, welcher 1912 in einem programmatischen Gedicht der gesamten Freiwirtschaftsszene zum Kampf gegen “Mammon”[6] – der nicht nur damals als eindeutig jüdisch konnotiert erkennbar war – aufgerufen hatte[7].“

Wenn dies richtig wäre, würde ich mich nicht auf diesen Mann beziehen. Richtig ist aber, dass lediglich einige Leute versuchen, diesen Eindruck zu erzeugen. Mir ist kein Freiwirt bekannt, der Menschenzüchtungsprogramme befürwortet hätte. Gesell hat das genaue Gegenteil als Ideal propagiert. Dazu wurde bereits einiges Veröffentlicht. Sein Gesamtwerk ist, reist man nicht einige Sätze und Vokabeln aus ihrem Zusammenhang, unmissverständlich.

Blumenthal kam aus der Arbeiterbewegung. Er war ein klassischer Linker und Gesells bester Freund. Ihr Kampf gegen „den Mammon“ war proletarisch motiviert. In keiner Weise antisemitisch. Es ist vollkommen unwissenschaftlich und verlogen, Gesell oder der Freiwirtschaftsbewegung eine antisemitische Ideologie des “Mammonismus” zu unterstellen, wie das folgende Zitat aus Gesells Gesamtwerk beweist. Herr Woelk und Herr Bierl nehmen dieses im persönlichen Kontakt zwar zur Kenntnis. Dennoch wird dieser Vorwurf wider besseren Wissens immer wieder benutzt um die Zinskritik zu diffamieren.

„Die Missetaten der Hochfinanz gliedern sich nicht in christliche und jüdische; es ist unterschiedslos der Sieg des Mammonismus über die Menschenseele. Ford hat unrecht, einen Sündenbock zu konstruieren. Nicht die Juden sind zu bekämpfen, sondern die Machtmittel, die in jüdischen und christlichen Händen seit Jahrtausenden namenloses Unglück anrichten. Von der Zinsbürde frei, wird die Seele den Weg zum Guten finden.“ Silvio Gesell; GA Band 14,Seite 400

Besonders erschütternd ist für mich die persönliche Hetze gegen den Stipendiaten Jens Mannheim. In bekannter demagogischer Weise wird dem Studenten eine Motivkette unterstellt: „als böse=Geld=USA (=Jude) zu identifizieren …“ die weder auf seiner Homepage zu finden ist, noch mit seinen Motiven übereinstimmt. Jeder der UnterzeichnerInnen konnte dem Text entnehmen, dass unseriös und demagogisch argumentiert wird.

Zitat „offener Brief“:

„Es ist eine Münze mit einem Dollarzeichen darauf abgebildet. Der Dollar als abstoßendes Zeichen ist seit langem Symbol eines völkischen Antikapitalismus, weltweit. Dabei geht es den ressentimentgeladenen Sozialreformern, deren Homepage von dem HBS-Stipendiaten Jens Simon Mannheim gemacht wird – http://www.jensmannheim.de/start.htm – nicht um kritische, wissenschaftliche Analyse, vielmehr um Agitation gegen alles, was nicht nur die einfache Frau respective der einfache Mann, vielmehr weite Teile des deutschen Establishments als böse=Geld=USA (=Jude) zu identifizieren gewöhnt sind, allerspätestens seit 9/11.“

Harmlos dagegen, weil vollkommen unkonkret ist der folgende Absatz; Zitat „offener Brief“:

„Phänomene wie der Rechtsextremismus der Freiwirtschaftslehre oder der Ideologie des Dritten Weges – angeblich jenseits von rechts und links – sind gut dokumentiert und bekannt.[3] Obskure Gruppen und Grüppchen tummeln sich nicht nur im Internet, um gegen “das Geld” und den “Zins” Stimmung zu machen[4], um gleichzeitig Mittelstandsunternehmern Honig ums Maul zu schmieren. Ein kleinbürgerliches Schema, das bekannt ist, zumal in Gewerkschaftskreisen.“

Gegen den INWO Vorsitzenden reicht den Autoren folgender Beweis; Zitat „offener Brief“:

„Konsequent ist es, wenn der Vorsitzender der INWO – die wie gesagt gleich zwei der sieben von der HBS bezahlten Wochenendmodule bestreitet – Prof. Dr. Wolfgang Berger dem islamistischen, aggressiv antiisraelischen Internet-Portal muslim-markt ein Interview gibt, wo er u.a. gegen “Rothschild” hetzt (vgl. unten Dokumentation).“

Abgeleitet ist dieser Beweis aus Folgendem Zitat:

„Prof. Berger: Sämtliche Religionen verbieten den Zins – sämtliche! Als Ökonom sage ich, dass man ihn nicht verbieten kann. Es würde sofort ein „schwarzer“ Finanzmarkt entstehen. So sind die großen Finanzdynastien der Fugger, Rothschilds und Wallensteins entstanden. Die Zentralbank muss „fließendes Geld“ einführen, bei dem der Markt den Zins auf Null drückt.“

Ich frage mich, ob den UnterzeichnerInnen derart konstruierte Vorwürfe ausreichen, Menschen des Antisemitismus zu beschuldigen und ihre Existenz zu gefährden. Mal davon abgesehen, dass es die Methode „Sippenhaft“ ist, wenn man Vorwürfe gegen Herrn Creutz und mich mit fragwürdigen Beschuldigungen gegen Herrn Berger oder den Vorsitzenden der Humanwirtschaftspartei, wie im Brief zu lesen, begründet.

Der offene Brief belegt die Notwendigkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen. Einen guten Anfang machte da Professor Altvater bei der Sommerakademie von attac im Sommer 2004. Die Podiumsdiskussion kann über den INWO Shop bezogen werden. Ich hoffe sehr, dass die Seminarreihe hilft, Brücken zu bauen. Da das erste Seminar kurzfristig abgesagt wurde bin ich nun gespannt auf die Begründung. Ich erwarte auch eine Reaktion der 20 mir nicht persönlich bekannten UnterzeichnerInnen. Da ich weiß, wie solche Zustimmungen zustande kommen und auch erfahren habe, dass sich einige Personen geweigert haben, diesen Brief zu unterschreiben, bin ich an der persönlichen Auseinandersetzung mit den Unterzeichnern und Unterzeichnerinnen sehr interessiert. Von Herrn Woelk und Herrn Bierl weiß ich aus unseren persönlichen Kontakten, dass sie an der Seriosität ihrer Aussagen kein Interesse haben. Diese Einstellung trifft aber auf die übrigen UnterzeichnerInnen nicht zu.

Wer mein Buch „Das Märchen vom guten Zins“ liest, wird feststellen, dass keiner der genannten Vorwürfe geeignet ist, das Nachdenken über die Funktionsweise der Zinssätze zu unterdrücken. Nicht mehr und nicht weniger ist mein Anliegen. Die mir unterstellte Gesinnung, das wissen auch einige der Unterzeichner, ist völlig absurd.

Klaus Popp